Nein, akzeptabel war das für ihn nicht, als wir vor acht Jahren die Grün-Alternative-Liste (GAL) in die Partei Bündnis 90/Die Grünen verwandelt haben. In eine stinknormale Partei. Wir wollten doch immer etwas anderes sein, entgegnete er uns, ein alternative Initiative, die die nicht in festgefahrenen Parteistrukturen verkrustet. Die GAL war sein Ding und dabei blieb er! Trotz oder gerade wegen Claudia Roth, mit der er in jungen Jahren Theater gemacht hatte.
Er wollte doch immer anders sein und er ist es geblieben: ein politischer Künstler, der Unna so viel Kultur gebracht hat, wie kaum ein anderer. Hoffmanns Comic Teater (ohne h!), Friedensparade, die Stadtoper „Das Wasser des Lebens“, der Film „Türmers Traum“ über Unnas Stadtgeschichte, „Der Tor zum Paradies“ über Philipp Nicolai und vieles mehr – das alles ist oftmals gewürdigt worden. Peter Möbius hat der ganzen Stadt Beine gemacht, Bürger und Bürgerinnen verwandelte er in Künstler und Künstlerinnen.
Nun ist er gestorben, 78 Jahre alt, an einer schweren Krankheit, die ihn in den letzten Jahren viel Kraft gekostet hat, über die er aber nicht viel reden wollte. Denn der Künstler ist dem Leben zugewandt, seinen Ideen, seinen kommenden Projekten; er muss etwas Neues auf die Beine stellen, sich einmischen – Peter auch in die Kommunalpolitik. Ich lernte den Mann mit dem Hut so richtig gut kennen, als wir uns in einer Bürgerinitiative gegen den Abriss der Häuser Massener Straße 20 und 13 engagiert haben. Peter im Kostüm des 19. Jahrhunderts, ein Kommerzienrat, der durch die Stadt marschiert und mit lauter Stimme die Arroganz einer Stadtverwaltung beklagt, die Bausubstanz im Denkmalbereich vernichtet. Peter Möbius hat mit künstlerischen Mitteln interveniert, gezeichnet, Skulpturen angefertigt, Orte markiert, die gefährdet sind. Damit hat er in Unna eine Tradition entwickelt, die andere über seinen Tod hinaus weiterführen. Hier fällt kein schützenswerter Baum, ohne dass sein Standort nicht bunt markiert würde. Ein Spekulationsgrundstück wie Massener Str. 13 wird in Unna mit einem Schild versehen: „Hier entsteht ein Golfplatz“.
Eine Würdigung von Peter Möbius kommt nicht ohne seinen Bruder Rio Reiser aus, dessen Name eine Straße an der Lindenbrauerei trägt. Peter und Rio kommen beide aus der freien Theaterszene, Rio hat die Musik zu den „Märzstürmen“ geschrieben, eine szenische Auseinandersetzung mit dem Kapp-Putsch und den Arbeiteraufständen im Ruhrgebiet 1920. Die „Märzstürme“ machten die Lindenbrauerei zu einem Spiel-Platz, ein Antikriegsmuseum wurde in den Kellern der Brauerei eingerichtet. Regina Ranft, langjährige Geschäftsführerin des Kulturzentrums Lindenbrauerei, nennt Peter Möbius dankbar den „geistigen und künstlerischen Vater des Kulturzentrums Lindenbrauerei.“
„Capriccio“, so hieß ein Barockfest in Unna, das Peter inszenierte und für das seine Frau Sibyll als Kostümbildnerin tätig war. Capriccio, so lesen wir in Wikipedia, bezeichnet „den absichtlichen, lustvollen Regelverstoß, die phantasievolle, spielerische Überschreitung der akademischen Normen, ohne die Norm außer Kraft zu setzen.“ Besser kann man es wohl nicht ausdrücken. Peter Möbius‘ Bildsprache – wir werden künftig vergeblich auf die illustrierte Weihnachtskarte warten! – ist der Tradition verpflichtet und seziert sie doch akribisch.
„Ich bin der Nachtwind, hörst du mich?
Ich trage die Fahne, ich frage nicht,
ahne den Morgen, der schmale Streifen
am Horizont zeigt mir den Weg.“
schreibt Rio Reiser für die „Märzstürme“.
Wir hier unten schicken nun den von Peter gezeichneten GAL-Specht in den Horizont, grüßen ihn da oben und sind in Gedanken bei seiner Frau Sibyll und seiner Tochter Cilly.
Manfred Hartmann. Foto: Thomas Kersten