Toni Hofreiter interveniert
Beim ersten Anblick des Buches dachte ich: schon wieder so ein Schinken (!), der einem das Fleischessen madig machen will. Knallrot und übersät mit Silhouetten von Schweinen, Rindern und Geflügel. Etwas altklug prangt auch der Doktortitel auf dem Cover. Doch je weiter ich mich hineinlese, desto stärker wird mein Interesse.
Hier schreibt kein Ideologe, sondern der Fleischesser Hofreiter, der um das Tierwohl, um Umwelt und Wirtschaft besorgt ist, der Fehlentwicklungen aufzeigt, die im uns allen im Grunde bekannt sind, an die aber niemand gerne denkt, wenn er sich gerade eine Currywurst bestellt hat. Deutschlands Bauern werden durch ein „schweinisches System“ zur Expansion gezwungen. Niedrige Preise werden mit dem Ausbau von Megaställen kompensiert. Schweine werden kannibalisch, man stutzt Ihnen die Ringelschwänze und sie bekommen immer weniger Platz zum Leben. Noch schlimmer haben es die Puten, deren angezüchtete Brüste sie bewegungsunfähig macht: heute schon ein No-Go für jeden Fleischesser und für jede Fleischesserin, deren Kaloriengeiz mit extremem Tierleid bestraft wird. Der Einsatz von Antibiotika wird zur Gefahr auch für den Menschen. Begünstigt wird diese Entwicklung vom Deutschen Bauernverband, den Anton Hofreiter für einen Expansionstreiber und Hindernis auf dem Weg zu einer biologischen Landwirtschaft hält. Hofreiter personalisiert sehr stark, wo er doch das System meint: CSU-Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied sind ihm Dornen in den Augen. Sein Buch ist mehr Streitschrift als Sachbuch. Es ist mit Herzblut geschrieben. Viele Sätze fangen mit „Ich will…“ an. Der Mut des Politikhelden bricht sich allerdings immer noch an einer Wirklichkeit, in der es Fleisch zu Dumpingpreisen gibt. Billigfleisch als soziale Wohltat, das lässt der Autor nicht gelten und wer am Anfang des Jahres 2017 die Zeitung liest, weiß, dass die über die Grenzwerte hinausgehende Nitratbelastung aus Gülle die Gesundheit aller Menschen schädigt. Anton Hofreiter plädiert für die Kopplung der Tierhaltung an die Fläche, er setzt sich für eine Umschichtung der EU-Subventionen ein, um eine ökologische Landwirtschaft zu ermöglichen. Positiv erwähnt er die Ökologiestation des Kreises Unna für ökonomisches Wirtschaften (S. 209).
Für die Zukunft zeigt Hofreiter sechs notwendige Schritte auf:
- Ausstieg aus der Massentierhaltung,
- Bäuerliches Wirtschaften statt Agroindustrie,
- Umweltschutz,
- Verbraucherschutz,
- fairer Handel statt TTIP und CETA
- eine global gerechtere Agrarpolitik.
Wir alle müssen dazu bereit sein, mehr Geld für Fleisch und andere Lebensmittel auszugeben. Grüne Politik gibt es nicht umsonst. Das Buch Anton Hofreiters bestärkt, was wir alle schon wissen. Lesenswert.
Manfred Hartmann
Anton Hofreiter: Fleischfabrik Deutschland. Wie die Massentierhaltung unsere Lebensgrundlagen zerstört und was wir dagegen tun können. München: Riemann, 2016. ISBN 978-35-7050202-0. Preis: 19,99 Euro. Zu haben auch in der Vor-Ort-Buchhandlung Hornung