„Die Dialektik von Karlsruhe“
Eindrücke des Delegierten-Teams aus dem KV Unna
Vom 23. bis zum 26.11.2023 fand die 49. Bundesdelegierten-Konferenz (BDK) von Bündnis 90/Die Grünen in Karlsruhe statt. Zu unserem Team vom Kreisverband Unna gehörten drei Delegierte und drei Ersatzdelegierte: Silke Lenkeit, Rebecca Mann, Lukas Schütz, Marco Sorg, Barbara Stellmacher, und Hermann Strahl. Regina Ranft war leider erkrankt.
Klimaschutz angesichts von Verfassungsgerichtsurteilen
Karlsruhe ist der Gründungsort der Grünen und die Stadt des Bundesverfassungsgerichts. Das soeben gefällte Urteil dieses Gerichts zur Schuldenbremse sowie das von 2021 zum Klimaschutz bilden die „Dialektik von Karlsruhe“ (Cem Özdemir). Wir waren uns auf dem Parteitag einig, dass die Schuldenbremse durch eine Investitionsklausel flexibler gestaltet werden müsse. „Ich will eine Schuldenbremse, die keine Schulden macht beim Klima, bei der Artenvielfalt, bei Straße und Schiene, bei unseren Kindern“ so Özdemir.
Europa-Parteitag
Angesichts der im nächsten Jahr stattfindenden Wahl stand das Thema Europa im Zentrum der Bundesdelegierten-Konferenz. Es wurden 40 Personen auf die quotierte Liste der Europa-Kandidat:innen gewählt. Unser Eindruck war, dass sich die Kandidat*innen durchweg sehr professionell präsentiert haben: Es war bedauerlich, dass nicht eine größere Anzahl von ihnen auf aussichtsreiche Listenplätze gewählt werden konnte. Terry Reintke aus Gelsenkirchen wurde mit überwältigender Mehrheit zur Spitzenkandidatin gewählt.
Was Wohlstand schützt
Wie bei uns Grünen üblich, wurde das Europa-Wahlprogramm detailliert diskutiert. Es ist in vier Kapitel aufgeteilt: A) Was Wohlstand schützt, B) Was Gerechtigkeit schützt, C) Was Frieden schützt, D) Was Freiheit schützt. In unserem Team gab es eine kritische Diskussion über denBegriff „Wohlstand“ und auch darüber, dass er an die erste Stelle gesetzt wurde. Offensichtlich ging es vielen Delegierten ähnlich. Alle Anträge, das Wort zu ersetzen oder die Reihenfolge der Kapitel umzustellen, wurden allerdings abgelehnt. Die Verunsicherungen vieler Menschen in der gegenwärtigen Mehrfach-Krise und das Bedürfnis nach Sicherheit sollten durch die Überschriften ernst genommen werden.
Was Frieden schützt
Angesichts des Kriegs Russlands gegen die Ukraine, betonte Annalena Baerbock: „Europa ist unsere Lebensversicherung“. Ricarda Lang bezeichnete die Demokratie als „die kritischste Infrastruktur, die wir haben.“
Einer der bewegendsten Momente der BDK war für uns die Rede der belarussischen Exil-Politikerin Swetlana Tichanowskaja. Ihr Ehemann ist zu 19 Jahren Haft verurteilt worden: ihre beiden gemeinsamen Kinder haben ihren Vater seit Jahren nicht gesehen, die Familie weiß nicht, ob er noch am Leben ist. „For us Europe is a necessity, not an option”, sagte die Exil-Präsidentin – und: “Europe can only be safe, when Belarus becomes free.”
Gegen Antisemitismus
Das Themenspektrum der BDK ging auch über Europa hinaus. Die Lage in Israel und Gaza nach dem Terrorangriff der Hamas wurde mit sogenannten Dringlichkeitsanträgen eingebracht. Es kamen Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Deutschland zu Wort. Zahlreiche Redner:innen forderten einen verstärkten Kampf gegen Antisemitismus, es solle mehr Ressourcen für Bildungsprojekte gegen Antisemitismus geben. Es dürfe kein „Ja, aber“ geben, sondern nur ein „nie wieder“ so die Außenministerin: „Jüdinnen und Juden müssen überall sicher leben können.“
Debatte zur Migrationspolitik
Die heftigsten Kontroversen gab es auf der BDK zur Asyl- und Migrationspolitik. Trotz des vielfachen Bekenntnisses zur Verstärkung der Seenotrettung im Mittelmeer, gab es Unmut bei den Delegierten über die umfangreichen Zugeständnisse der grünen Minister:innen bei den Verschärfungen des Asylrechts – auch in unserem Team. Ein Antrag der Grünen Jugend zielte darauf ab, rote Linien in der Asylpolitik zu ziehen und die grünen Regierungsmitglieder daran zu binden. Robert Habeck warb eindringlich dafür, dem Antrag der Grünen Jugend nicht zuzustimmen, da er faktisch ein Aufruf sei, die Regierung zu verlassen. Die Mehrheit stimmte schließlich dagegen, wenn auch nicht so deutlich wie bei den meisten anderen Abstimmungen.
Grüne Politik in „gewendeten Zeiten“
Unser Team ist mit erneuerter Motivation für die grünen Anliegen aus Karlsruhe zurückgekehrt: für den Europawahlkampf im nächsten Jahr, für eine ambitionierte Klimaschutzpolitik und für eine humanitäre Flüchtlingspolitik in schwierigen Zeiten. Der Wirtschaftsminister formulierte mit kämpferischem Elan die Aufgabe grüner Politik in „diesen gewendeten Zeiten“: Es komme darauf an „Notwendigkeiten in Möglichkeiten zu übersetzen“ und die Aufgaben zu lösen, anstatt sie zu .beklagen.
Mehr zum Parteitag, vor allem bedenkenswerte Reden auf www.gruene.de. Auch die Delegierten geben gern Auskünfte zum Parteitag und zu Unterstützungsmöglichkeiten im Europawahlkampf.