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Straßennamen und Erinnerungskultur  – Wen interessiert’s? Was tun?

In einem Sketch von Heinz Erhardt spricht der Komiker über „Ludwig Uhland, dem Erfinder der gleichnamigen Straße“ . Damit trifft er den Nagel auf den Kopf:  Wer macht sich schon viel Gedanken über den Namen der Straße, in der er lebt, über die sie täglich geht? In Unna erzählte mir kürzlich jemand von der „Freilichgradstraße“ – und meinte damit freilich Ferdinand Freiligrath, der dichterische Unterstützer der Revolution von 1848.

So ist es nicht verwunderlich, wenn  der von Bürgermeister Kolter einberufene Arbeitskreis Straßennamen, der die Benennung der Wagenfeld- und Lerschstraßen untersuchen soll, nur auf ein geringes öffentliches Interesse stößt.  Es sollte erörtert werden, warum wir überhaupt Straßen nach Personen oder Ereignissen benennen und warum es dann z. T. auch solche  waren, die sich wie Karl Wagenfeld und Heinrich Lersch aktiv für den Nationalsozialismus engagiert haben.  Warum in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg? Zu einer Zeit also, in der man einerseits mehr historische Sensibilität hätte erwarten können, die anderseits aber auch geprägt war von den alten braunen Kadern. Der Arbeitskreis hat zur Klärung dieser Fragen mehrere Wissenschaftler angehört.

Festzuhalten ist, dass die Benennung einer Straße nach einer Person oder einem Ereignis immer von Ehrerbietung zeugt und nie nur informieren will. Es gibt schlichtweg keine „Hitlerstraße“ mehr. Doch nicht immer haben wir es mit weltbekannten und eindeutigen Bösewichten zu tun.

Heinrich Lersch ( 1889-1936) war ein Kesselschmied, der sich in den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts als Arbeiterdichter einen Namen gemacht hat, dessen Herkunft also eher zur politischen Linken passt. Lersch zog als Soldat in den Ersten Weltkrieg. Die letzte Zeile des 1916 veröffentlichten Gedichts „Soldatenabschied“  lautet: „Deutschland muß leben, und wenn wir sterben müssen!“. Das war selbstverständlich hervorragend anschlussfähig an die NS-Ideologie, die neben dem Soldaten-  auch dem Arbeiterkult huldigte.  Lersch trat 1935 in die NSDAP ein, schrieb einige seiner Gedichte im Sinne der braunen Ideologie um und hielt Reden auf Mai- und  Parteitagskundgebungen.  Er war ein Propagandeur der Nationalsozialisten, anderseits sind von ihm keine volksverhetzenden oder rassistischen Äußerungen bekannt.

Anders Karl Wagenfeld (1869-1939):  Der Gründer des Westfälischen Heimatbundes war eindeutig Antisemit und Rassist. Hier ein  Zitat aus dem „Lexikon Westfälischer Autorinnen und Autoren 1750-1950“: „Wagenfelds Heimatbegriff wird von R. Schepper 1990 in die Nähe der ‚Blut-und-Boden‘-Ideologie gerückt: Wir fassen bis hierher [1932] Wagenfelds Menschenbild zusammen: Neger, Kaffern und Hottentotten sind Halbtiere, Fremdrassige sind Volksverderber und Schädlinge, Menschen in ‚Krüppel- und Idiotenanstalten‘, in Fürsorgeheimen und Strafanstalten sind körperlich und geistig Minderwertige. Es ist jenes Menschenbild, das der Nationalsozialismus zur Errichtung seiner Ideologie vom Herrenmenschen und Untermenschen, zum Erlaß der Nürnberger Gesetze vom 16.9.1935, zur Euthanasie geistig und psychisch kranker Menschen, zum Kampf gegen alles ‚Artfremde , zum Krieg gegen ‚Frankreichs Haß‘ und ‚Polens Gier‘ benötigte und benutzte.“ (Quelle: http://bit.ly/2A9sDCK , abgerufen am 24.11.2017)

Wie also umgehen mit der Lersch- und Wagenfeldstraße? Sollen die Namen bleiben, soll man zusätzliche Informationen an die Beschilderung anbringen?

Ich finde, die Debatte über diese Frage ist fast noch wichtiger als ihr Ergebnis. Umso trauriger war ich, als bei der letzten AK-Sitzung mit einem Vortrag des Lersch-Spezialisten Dr. Steffen Elbing neben dem Stadtarchivar nur drei Mitglieder des Gremiums anwesend waren.  

Persönlich orientiere ich mich an der Entscheidung, die in Münster für dasselbe Problem getroffen wurde.  Münster hat aus den oben geschilderten Gründen die Wagenfeldstraße umbenannt und den Heinrich-Lersch-Weg mit Informationen über den Dichter versehen. Das wäre – so denke ich – auch für Unna ein guter Weg.

Nichtstun jedenfalls geht nicht, lassen Sie uns debattieren und dann entscheiden. Auch über diev on Ulrich Knies vorgebrachten Gedanken zur Sedanstraße in Massen.

Wir sollten uns nicht vom Argument leiten, dass vielleicht ein paar Leute ihren Briefbogen ändern müssen. Dafür ist unsere Erinnerungskultur zu wichtig.

Manfred Hartmann

Bilder:

Wikipedia:  Heinrich Lersch: https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Lersch#/media/File:Heinrich_Lersch.jpg  ; Lizenz:  CC0.  

Umbenennung in Sundern: https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Wagenfeld#/media/File:Wagenfeldstr..JPG ;  Lizenz: CC BY-SA 3.0.

 

 

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