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Faschist werden – Ein Lesetipp

FASCHIST WERDEN
Der folgende Text ist eine Zusammenfassung des kleinen Buches der Autorin Michela Murgia mit dem Titel „Faschist werden – eine Anleitung“. „Die Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie selbst nicht garantieren kann.“ Dieser Satz des Staatsrechtlers Ernst -Wolfgang Böckenförde könnte den Ausgangspunkt für Murgias als Satire angelegten Versuch sein, gegen die Demokratie anzuschreiben, deren Schwächen gnadenlos aufzudecken und Strategien zu erläutern, die letztendlich zum Sieg des Faschismus führen. Das aus der italienischen Perspektive geschriebene Buch empfiehlt das archaische und auf scheinbaren Naturgesetzen beruhende Konzept. Wie beim Besuch eines Kabaretts wird der Leser in Grenzbereiche zwischen politischem Seminar und verwirrendem Rollenspiel geführt und durchaus mit der Frage zurückgelassen wieviel Faschismus das Alltägliche prägt. Den Abschluss der Satire bilden daher 65 Aussagesätze, die einen Test darstellen, um die eigene Haltung auf Infiltration mit faschistischen Anteilen hin zu überprüfen.

NOCH MAL VON VORN: ALLES CHEFSACHE
Wer diskutieren, abwägen und sich Wahlen stellen muss ist nicht wirklich mächtig und besitzt keine ausreichende Handlungsfreiheit. Macht muss gebündelt werden, wenn sie wirkungsvoll sein soll. Die Bündelung der Macht ist auch ökonomisch sinnvoller und führt zu schnelleren Entscheidungsprozessen. „Wenn das Volk erst mal darauf getrimmt ist, sich in seinem Chef wiederzuerkennen, folgt der zweite Schritt: mittels effektiver und möglichst banaler Kommunikation die Zustimmung aufrechtzuerhalten.

VEREINFACHEN IST ALLZU KOMPLIZIERT
Es ist irrig zu glauben, der Faschismus produziere möglichst einfache Nachrichten. Vereinfachung bedeutet Konzentration auf Wesentliches. Das ist zu anspruchsvoll und birgt Gefahren. Besser ist es, die Nachteile verschiedener Lösungsansätze immer wieder in den Vordergrund zu stellen, um so Ängste zu steigern nach dem Motto „das Volk will keine Lösungen diskutieren, es will, dass ihm die Ängste genommen werden“. Es geht im Faschismus also nicht um Verflachung, sondern um Banalisierung und Verunmöglichung des demokratischen Diskurses. Die Angst gehört alle, die Lösung gehört dem Chef.

FEINDE MACHEN
Ohne Feinde ist der Faschismus nicht zu haben. Sich selbst als politischen Gegner bezeichnend infiltriert der Faschist die Demokratie als Feind im Sinne eines Trojanischen Pferdes. Das wunderbare an der Demokratie ist, dass sie anders als der Faschismus, gegen sich selbst verwendet werden kann. Demokraten brauchen Gegner, um sich auseinandersetzen zu können. Ihnen fehlen die Instrumente, um Feinden begegnen zu können. Gegner sind wiedererkennbare Personen mit einer umrissenen Identität. Feinde dagegen sind Teil einer nebulösen Kategorie (Gutmenschen, Ausländer, Feministen etc.) und können auf einseitige Weise bekämpft werden (ähnlich wie Ungeziefer), ohne dass der Bekämpfer in die Verlegenheit gerät, sich konkret und direkt auseinander setzen zu müssen. Nicht mal bloße Existenz der Feinde ist vonnöten, um Angst zu erzeugen. Gruppenbezogene Diffamierung ermöglicht gruppenbezogene Schuldzuweisung. Der rechtsterroristische Attentäter ist dagegen ein verrückt gewordener Einzeltäter.
Der hilfesuchende Fremde kann abgewehrt werden, wenn die einheimischen Hilfsbedürftigen auf dieselbe Stufe gestellt werden („… macht doch erstmal was für …“).
BESCHÜTZE UNS AUF ALL UNSEREN WEGEN
Um vor den vielen Gefahren in der Welt wirksam geschützt werden zu können, muss man diese in einer verblendeten Öffentlichkeit besonders eindringlich darstellen. Die Anhänger der Vielfalt sind verstrickt mit all den Auslösern der bevorstehenden Katastrophen. Im Faschismus bedeutet das Motto „menschlich bleiben“ dem Naturgesetz im Überlebenskampf zu folgen, statt sich durch eine naive Rührseligkeit selbst zu gefährden. Naturgesetz und gesunder Menschenverstand zeigen, dass die Familie und die eindeutige Rollenzuweisung von Mann und Frau die Grundlage für den Überlebenskampf sind. Die Aufweichung der natürlichen Gegebenheit führt in die Verweichlichung. Der faschistische Staat ist wie eine Familie und braucht ein Oberhaupt mit einer wichtigen Schutzfunktion. Er zeigt sich auch solidarisch, aber in erster Linie für die einheimischen Ärmsten. Er ist keine gemeinnützige Organisation, sondern muss vor allem, die vielen Gefahren im Blick, eine politische Bewegung sein.

IM ZWEIFEL SCHLAG ZU
Die natürliche Ordnung besagt, dass Gewalt eine politische Handlung sein kann, wenn die Wahl besteht zwischen Gewalt ausüben und Gewalt erdulden. In einer Welt voller Gewalt benötigen die Ordnungskräfte eine gewisse Handlungsfreiheit und dürfen nicht bei der Verteidigung ihrer Heimat durch Beschränkung ihrer Befugnisse in Widersprüche verwickelt werden. Diese Widersprüche im demokratischen Regelwerk frustrieren die Ordnungskräfte, sodass sie autoritären Konzepten offen gegenüberstehen.
„Die faschistische Sprache ist, wenn man genau darüber nachdenkt, weit demokratischer als die politisch korrekte, denn sie gibt niemandem das Gefühl der Unterlegenheit, wohingegen die Demokraten sich offenbar vielen gegenüber für überlegen halten werden.“ Die bedrohlichen Zustände in der Gesellschaft, die durch ein friedvolles Gutmenschentum herbeiführt werden, erfordern eine eindeutige Sprache. Ein klarer Sprechakt dem wahren Feind gegenüber muss Handlungen ankündigen und nötige Wege aufzeigen.

VOLKES STIMME
Der Faschismus entsteht niemals aus den unteren Schichten, er spricht nur so über sie, wie sie sich selbst gerne sehen möchten. Er ist zwingend populistisch ohne volksnah zu sein, denn er stellt etwas Weitergehendes zur Verfügung, das eine angenommene Schwäche in ein Gefühl der Überlegenheit überführt. Die Kunst der Verführung spricht immer vom „WIR“. Im geeinten Volk können alle sozialen Unterschiede Bestand behalten. Das „alptraumhafte und verlogene Streben nach Gleichheit“ in der Demokratie wird überwunden durch eine Gemeinschaftserfahrung, die auf der Abwehr des Fremden beruht. Jeder gesellschaftlichen Gruppe kann unterschiedlich begegnet werden, weil die Klammer der gemeinsamen Volkszugehörigkeit verbindet und über allem steht. Die Schwäche des demokratischen Bürgertums spielt dem Faschismus in die Hände. Sie besteht in dem Dilemma, sich einerseits moralisch verpflichtet zu fühlen, die soziale Ungleichheit zu überwinden und andererseits zu wissen, dass der eigene Wohlstand zumindest teilweise darauf beruht. Um davon abzulenken, den substantiellen Konflikt in der kapitalistischen Gesellschaft zu vermeiden, stürzen sich die Demokraten auf Nebenkriegsschauplätze. Dadurch verlieren sie an Glaubwürdigkeit. Die Demokratie verschleiert ihre Form der Manipulation durch scheinbar rationale Argumente. Für den Faschismus ist die Manipulation ein notwendiges und offen angewandtes Instrument der Dominanz, das instinktiv verstanden wird.

VERGISSMEINNICHT
Am Ende geht es dem Faschismus um die Dekonstruktion der historischen Erzählungen in der Demokratie. Die Gedenkkultur des „niemals Vergessens“ gilt es zu Überwinden durch eine Wiedergeburt der nationalen Identität. Das kann nur in einzelnen Schritten gelingen. Zunächst werden die verschiedenen geschichtlichen Leiderfahrungen gleichwertig nebeneinandergestellt. Nach und nach bestimmen dann die Opfererfahrungen des eigenen Volkes das nationale Gedenken immer deutlicher. Der historische Faschismus verblasst und blockiert immer weniger den aktuell erforderlichen politischen Kampf.

Klaus Koppenberg

 

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