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Ausgesummt! Es ist was dran am Insektenschwund – Eine Nachberichterstattung

Thomas Hörren ist begeisterter Entomologe – genau gesagt ein Käferforscher. Im gestrigen Grünen Salon hat er aus seiner wissenschaftlichen Arbeit in seiner Freizeit erzählt. Im Entomologischen Verein Krefeld hat man es sich zur Aufgabe gemacht, erstmals die Biomasse als Parameter bei Insektenzählungen umfangreich zu berücksichtigen. Mit sogenannten Malaise-Fallen wurden standardisierte Zählungen vollzogen und mit Zählungen aus der Vergangenheit verglichen. Schon bei der Erhebung konnte man bereits ableiten, dass ein Rückgang der Biomasse zu verzeichnen ist. Wurden früher nämlich 2-Litergefässe benutzt um die Insekten nach der Zählung zu konservieren, sind seit vielen Jahren 1-Literbehältnisse Standard, da diese Füllmenge schon lange nicht mehr überschritten wurde. Aber auch im Detail machte Thomas Hörren deutlich, dass es offenbar immer weniger Insekten und somit Biomasse gibt. In akribischer Fleißarbeit haben die Krefelder Forscher immer wieder dieselben Standorte wie früher verglichen und dabei auch die Umgebung in die Bewertung mit einbezogen, sodass man zweifelsfrei einen Rückgangstrend feststellen konnte. Manchmal kann der Rückgang eine spezifische lokale Bedingung sein. Zum Beispiel die Veränderung von Naturschutzgebieten, obwohl diese erhaltend gepflegt werden sollten – es findet Sukzession statt.

Thomas Hörren – Entomologe

Thomas Hörren beschreibt lebhaft, wie die Forscher nun versucht haben, die Ursache des Rückgangs zu finden. Ein erster Anhaltspunkt war die Vermutung, es könne mit dem Klimawandel zu tun haben. Doch dies bestätigte sich nicht – ein Vergleich der Fallenstandorte mit den Tagesdaten lokaler Wetterstationen zeigt zwar eine Erhöhung der Temperatur über die Jahre und eine Verschiebung von Niederschlagsspitzen in andere Monate als früher – jedoch konnte kein Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Biomasse daraus erkannt werden. Denn Insekten sind, in sehr vielen Fällen, wärmeliebende Tiere und müssten vom Temperaturanstieg tendenziell profitieren. Für eine Ursachenfindung reiche die Studie jedoch nicht aus, denn das meiste blieb nach ihrem Modell unerklärt. Große Probleme in der Biodiversität sind vor allem durch die Fragmentierung von Landschaften, die intensive menschliche Nutzung dieser Flächen und der Verschmutzung zu suchen, das zeigt die Wissenschaft seit Jahrzehnten mit Beispielen auf. Hier fehlt laut Thomas Hörren zum Beispiel eine ausreichende Pufferzone, um Wechselwirkungen zwischen den beiden Habitaten zu vermeiden oder eine Verknüpfung der Biotope, die einen Austausch von Populationen ermöglicht. Denn Mensch und Maschine sorgen im Prinzip im erheblichen Maße dafür, dass Insekten sich nicht mehr wie früher ausbreiten können, ihre Nahrung knapp wird und sie sich weniger vermehren. Negative Bestandstrends und Rückgänge zeigen auch der Roten Listen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. Die Ackergifte haben es besonders in den Fokus der Medien geschafft, da viele Studien aufzeigen, dass diese sich auch auf Arten auswirken, die nicht das eigentliche Ziel dieser Stoffe sind. Und Monokulturen in der Landwirtschaft bieten grundsätzlich nur für wenige Arten ein karg gefülltes Nahrungsportfolio.

Die Besucher der Veranstaltung fragten vor allem, was man tun kann. Thomas Hörren empfiehlt, das große Ganze zu sehen: Viele kleine Maßnahmen wie Dachbegrünung und Wildbienenhotels sind sinnvoll und tragen zum Bewusstsein für Insekten bei, sie werden jedoch den fortschreitenten Rückgang nicht verhindern, denn es sind reversible Effekte für Arten, die in unseren Städten und Dörfern leben können. Es müssen massive Veränderungen stattfinden, damit wir den Rückgang langfristig einschätzen können und wir lernen, was an irreversiblen Auswirkungen eintritt. NRW ist hier strukturell für lokale Politik klar im Vorteil – liegt die Hoheit von Naturschutzgebieten hier schließlich in Kreis- und nicht in Landeshand. Ausreichende Pflege, eine Ausweitung dieser Gebiete mit sinnvollen Pufferzonen, eine starke Reduktion von Ackergiften oder das Anlegen von extensiven Wildwiesen sind Maßnahmen, die schnellstmöglich angegangen werden sollten. Blühstreifen, direkt zwischen Äckern und Naturschutzgebieten, hält er für keine effektive Methode zur Rettung. In diesem Bereich gibt es viel zu viele Konflikte und möglicherweise Lockwirkungen. Diese nehmen nach einer britischen Studie, u. A. von Professor Dave Goulson, sogar ganzjährig die Gifte auf, die nebenan auf der landwirtschaftlich genutzten Fläche versprüht werden. Naturschutz müsse primär auch erstmal in Naturschutzgebieten stattfinden. Denn dies sind die Flächen, in denen es der Natur und auch den Insekten am besten gehen soll. Thomas Hörren warb an diesem Abend leidenschaftlich dafür, sich die Prozesse genau anzuschauen und dann Handlungsstrategien zu entwickeln. Dabei geht es ihm vor allem um die Wertschätzung der Biodiversität – diese sei schließlich ein Stück Lebensqualität, auch für nachfolgende Generationen. Und haben diese nicht irgendwie auch ein Recht auf eine ähnlich gute Lebensqualität wie wir heute? Mit dem Krefelder Entomologieverein liefert er die wissenschaftliche Basis und die Beweise, dass wir etwas tun müssen. Als Grüne fühlen wir uns – leider – in unserer Vermutung bestätigt: Wir müssen etwas tun. Und das schnell.

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