In einer bedenklichen Feierstunde kurz nach dem 110. Geburtstag Ernst Gräwes, gedachte Unna seines tragischen Heldens. Der Königsborner Sanitätsgefreite Ernst Gräwe hatte eine knappe Stunde vor der Befreiuung Deventers geweigert, fünf niederländische Widerstandskämpfer zu erschießen. Nach Kriegsrecht dürfen Sanitätssoldaten nur sich selbst und Verwundete verteidigen. Der kommandierende Offizier erschoß Ernst Gräwe. Dieser Mord wurde nie bestraft. Die Widerständler wurden trotzdem erschossen. Gräwes Witwe wurde „gefallen“ als Todesursache mitgeteilt.
In Deventer gibt es den einzigen Gedenkstein für einen Deutschen im zweiten Weltkrieg seit den frühen 50ern für Ernst Gräwe. In Unna wurde die tragische Geschichte erst vor gut fünf Jahren bekannt. Der ehemalige niederländischer Offizier John Egbers wandte sich 2019 an die Stadt Unna und forderte sie auf , „einen der größten Söhneder Stadt“ angemessen zu ehren. Parallel hatte Jens Junkersdorf, Bundeswehroffizier und Stiefenkel Gräwes, bei einem Gedenken auf einem Soldatenfriedhof nahe Deventers zufällig das Grab seines Stiefgroßvaters entdeckt und in Unnas Archiv um Material zur Angelegenheit nachgefragt. Stadtarchivar Dr. Frank Ahland ließ seinen französischen Praktikanten Jérémy Gaudais recherchieren. Seine Forschungsergebnisse liegen jetzt in der Broschüre „Widerstand im letzten Moment“ vor. Sein bewegender Vortrag war der Kern der Unnaer Feierstunde.
Vorher hatte Jens Junkersdorf seine Geschichte mit „Ernst“ ergreifend geschildert. Nicht nur seine Mutter und seine Tochter waren zu Tränen gerührt. Der Schülersprecher der Werner-von-Siemens-Gesamtschule-Königsborn Jonas Jokiel vollendete die Gedenkveranstaltung mit einer selbstverpflichtenden Rede. Für ihn und uns sollte das Gedenken an Ernst Gräwe die Bereitschaft zu wachem Widerstand gegen Angriffe auf Menschenwürde und Grundgesetz sein. Gräwes letzter Satz „Ich bin nicht hier um Menschen zu erschießen, ich bin hierhergekommen, um Menschen…, ja um Menschen zu heilen und… ja, um Menschen genesen zu lassen.“ läßt ihn nicht mehr los.
Wie oft in der engagierten Schule umrahmten Gorgin Jamal, Gitarre, und stimmgewaltige Sabina Rudzinska die morgentliche Feier. Es sei noch erwähnt, dass der Kriegsjustizforscher Dirk Knipphals, sehr detailliert die Ereignisse beleuchtete. Nach seinen Erkenntnissen war Gräwe der einzige deutsch Soldat im 2. Weltkrieg, der wegen Erschießungsbefehlsverweigerung erschossen wurde. Andererseits wurden Fahnenflüchtlingshinrichtungen auch noch der Kapitulation in Kriegsgefangenenlagern mit alliierten Waffen vollstreckt.
Die Broschüre kann übrigens gegen Spende (die für die Stolpersteinarbeit eingesetzt wird) im Stadtarchiv erworben werden. Und es wäre schön, wenn die bewegende Rede des Schülersprechers zumindest im Netz zugänglich gemacht werden könnte. Solch leidenschaftliches Geschichtsgedenken macht Zukunftshoffnung!
Am 10. April 2025 jährt sich Ernst Gräwes Todestag zum 80. mal. Bis dahinn sollte Unna eine Form finden, seinem tragischen Helden auch im öffentlichen Raum zu gedenken.
Hermann Strahl, kam bei der Suche nach Spuren der Ermordung eines Fahnenflüchtigen „Siegfrieds“ im April 1945 in der Gerhardt-Hauptmann-Straße im Archiv an die Geschichte.