Ermunternde Zumutung

Robert Habeck bewirbt hoffnungsfrohe, demütige Einmischung

Ein Mann tanzt seinen Weg?! Robert Habeck schreibt ach so schön an- und aufrührend gegen das herrschende Gejammere in und gegen den Politikbetrieb. Mit seinem Lebensweg nimmt er die Leser*innen mit in politische Entscheidungspflichten, in denen er oft auch Kür-Chancen entdeckt. Pragmatismus und Visionen sind für ihn kein Widerspruch sondern ein schöpferisches Spannungsfeld.

Tschernobyl erwischt und erweckt den 16jährigen Schülerschauspieler beim „Sommernachtstraum“. Philosophie gibt ihm früh politische Orientierungshilfen. Kantsches Vernunft-basiertes Hinterfragen der scheinbaren Alternativlosigkeiten treibt ihn bis heute an und um. Camus Sisyfos als glücklicher Steinschieber gibt ihm Durchhaltekraft.

Elfenturmbein-Etappe bis zum Doktor der Philosophie, vier Kinder vom freien Autorenpaar, inklusive küstennahem Heimbau, begleitet… Habeck sucht, belebt und belernt immer wieder Chancen seines Laufs durchs Leben. Und als er 2002 in seine erste Grüne Versammlung stolpert, kann er nicht neinsagen und wird zum Kreisvorsitzenden gewählt. 2012 wird er Umweltminister und Vizeministerpräsident Schleswig-Holsteins. Schön, dass bei Grüns sowas noch möglich ist, trotz des flugkraftraubenden Flügelapparates!

Und er arbeitet trotz und auch wegen diverser Widersprüche (er geht als Wolfsschutz-Minister zu Schäfern mit wolfsgerissenen Schafen) und Zwängen (er beteiligt sich an der Atomendlagersuche) mit Sorgen-orientiert freudvoll. Kompromisse müssen für ihn erklär- und besprechbar sein, ob Stromtrassen, Windradstandorte oder Krabbenfischerei im Nationalpark. Einfache Antworten, Patentrezepte und Sicherheitsversprechen sind nicht Habecks Ding. Die Grüne Kraft sucht er in wert-, wirkungs- und vernunftorientiertem Zusammenwirkung in der Gesellschaft. Mit dem schablonierten Flachmatismus auch auf Grünen Parteitagen tut er sich fremd.

Der Bewerber um eine Grüne Spitzenkandidatur bedenkt überraschend respektvoll auch die gegnerischen Politikbetriebsopfer ob Barschel, Engholm oder Simonis. Risiken und Nebenwirkungen von Parteipolitikabhängigkeit, erkannt und benannt, sind für Habeck minderbar. Gewagte Kandidaturen sind aber Grundlage lebendiger Demokratie. Und Habeck wagt sich vor. Als Vorschlag für ein neugieriges Grünes Aufmachen als Orientierungsselbsthilfegruppe in die Gesellschaft.

Seine Haltungsempfehlungen haben mich noch mehr begeistert als erwartet – mit ansteckenden Nebenwirkungen. Wann, wenn nicht jetzt, sollen vom Schicksal mit Hirn und Herz günstig ausgestatteMenschen, Verantwortung wagen. Natürlich mache ich jetzt noch gerner Wahlkampf für diese erfrischende Grüne Inkarnation eines lebendigen Politikstils. Vor diesem Motivationsschub-Risiko seien sofasüchtige Leser*innen gewarnt!

Robert Habeck, „Wer wagt beginnt. Die Politik und ich“, KiWi-Verlag, Köln, 2016, ISBN 978-3-462-04949-7, 288 S., 14,99€.

Hermann Strahl, 14. Dezember 2016

Toni Hofreiters Buch ist in Lesung. Besprecher*nnen für ein Werk von Cem Özdemir oder Katrin Göring-Eckert können sich gern einbringen. Natürlich sind auch andere Grüne Lesetipps für die Tage der Besinnung oder als Geschenkidee erwünscht!

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